Stimme (1), Sprechmaschine (gekoppelt mit Live-Elektronik), Live-Elektronik
Beschreibung
"Die historische Sprechmaschine von Kempelen wurde von Jakob Scheid nachkonstruiert. Die Artikulationsmöglichkeiten des Apparates sind beschränkt – was schon Kempelen selbst wusste, der den Apparat als unvollständigen Versuch bezeichnete. Der Klang ist durchdringend und markant; er erinnert verblüffend stark an die menschliche Stimme. Am besten gelingen weinende, flehende, kindlich klingende Laute.
Damit zu arbeiten war die Herausforderung für das Stück. Mir schien es reizvoll, die Sprechmaschine mit einer tatsächlichen menschlichen Stimme zu kontrastieren. Ein genial passender Textausschnitt von Bernadette Schiefer öffnet einen Themenkomplex, der diesem Kontrast Tiefe und Inhalt verleiht.
Weiters hat mich interessiert, mit der Sprechmaschine “untypische” Klänge zu erzeugen: Atmen, Zischen, Röcheln, perkussive Geräusche oder gesangähnliche Passagen. Ich habe die Klänge beider “Stimmen” teilweise mit elektronischen Mitteln moduliert, verfremdet, geschichtet usw., um den ursprünglichen Stimmklang zu verschleiern und Geräuschfelder zu erzeugen. Ein Ringmodulator liefert synthetische Begleitklänge.
In mehrschichtiger Hinsicht berührt das Stück EXHIBIT #01 die Frage nach der unserer Traumwelt. Die Sprechmaschine an sich ist historischer Ausdruck des alten Traumes der Menschheit, Sprache künstlich herzustellen, zu synthetisieren. Kempelen, Konstrukteur der Barockzeit, hatte den Traum, stummen und sprachbehinderten Menschen helfen zu können, und wurde dadurch zur Forschungsarbeit motiviert, die zu dieser Maschine führte. Der Traum vom künstlichen Menschen schwingt bei der Konstruktion mit: die Maschine ist dem menschlichen Sprechapparat nachgebildet: Lunge, Kehlkopf, Mund, Rachen, Nase, Lippen werden künstlich geformt.
Kempelen war sich dessen bewusst, das dies nur ein Anfang war, der unvollständig blieb. Der Text von Bernadette Schiefer bringt eine weitere Verbindung ins Spiel: die tiefen Schichten in uns selbst, aus denen unsere Träume aufsteigen, bevor sie sich zu Traumwelten manifestieren. Sind Träume rückwärts oder vorwärts gerichtet? Wurzeln Träume in der Vergangenheit, Kindheit, die wir zurücklassen? Oder werden beim Verlassen der Kindheit die Träume zerrissen? Welche Illusionen bleiben uns? Ist Angst eine Traumwelt?
Die Musik und Sprachperformance bilden Schichten wie die Illusionen und Gedankenwelten im Inneren. Menschliche Stimme und Sprache als Brücke zwischen Innen und Aussen. Traumwelten manifestieren sich durch Sprache, Stimme, Musik."
Pia Palme (2009)
Auftrag: IMA für die Ausstellung “Zauberhafte Klangmaschinen” in Hainburg 2009
Uraufführung
2009 - Hainburg
Mitwirkende: Gina Mattielo (Stimmperformance, Aufnahme, Besetzung UA), Pia Palme (Elektronik, Maschine)
Weitere Informationen: Gesendet im Ö1 Zeitton/ Kunstradio am 18. 1. 2009, 23.05 Uhr über Art’s Birthday. CD / Aufnahme: Livemitschnitt der UA durch Kunstradio.
Sprechmaschine: Konstruktionsplan Wolfgang von Kempelen, Pressburg 1791
Herstellung: Jakob Scheid, Wien 2001/02
für das Kempelen-Archiv der Universität für Angewandte Kunst, Wien
Aufnahme
Titel: EXHIBIT#1
Plattform: SoundCloud
Herausgeber: palmeworks
Datum: 18. August 2010
Mitwirkende: Gina Mattielo (Stimmperformance, Aufnahme, Besetzung UA), Pia Palme (Elektronik, Maschine)
Weitere Informationen: Recorded by Kunstradio Ö1
Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 11. 5. 2021): Palme Pia, Mattiello Gina . EXHIBIT #1. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/157562 (Abrufdatum: 21. 11. 2024).